„Ich gebe der Musik den ersten Platz nach der Theologie“ Martin Luther
Musik gehört zentral und unabtrennbar zum Gottesdienst, zu den Äußerungen des Glaubens, von Anfang an. Im Brief an die Kolosser ist nachzulesen: „Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen“.
„Ich möchte, dass wir möglichst viele Lieder hätten, die das Volk während der Messe singen könnte, zum Graduale, zum Sanctus, zum Agnus Dei. Aber es fehlen uns die Dichter oder sind noch nicht bekannt, die uns fromme und geistliche Lieder sängen, die dann geeignet wären, in der Versammlung Gottes immer wieder gebraucht zu werden“ (Martin Luther, 1523).
Und so legte Martin Luther einen Grundstein, in dem er selbst eine Reihe von Liedern textete und komponierte. Bis Ende 1524 entstanden rund zwei Dutzend Lieder, die in verschiedenen Gesangbüchern erschienen. Bis zu seinem Tod 1546 entstand eine Reihe weiterer Lieder, darunter so berühmte wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ und „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Die Zahl der Liederkomponisten vermehrte sich, so dass Luther seine eigene Produktivität einstellen konnte: „Nu haben sich etliche beweiset und die lieder gemehrdt, also das sie mich weit ubertreffen und ynn dem wol meine meister sind.„
Dem Beispiel des Reformators folgten andere Komponisten, und so entstanden im 16. und 17. Jahrhundert rund 10.000 Kirchenlieder. Seine Werke wirkten auch als Impuls für Bearbeitungen zu Kantaten, Passionen, Vokal- und Instrumentalwerken aller Art. An erster Stelle ist wohl Johann Sebastian Bach zu nennen, der fast alle Lieder Luthers in verschiedenen Formen und oft mehrfach bearbeitete. Aber auch anderen Komponisten späterer Jahrhunderte diente Luthers Schaffen als Vorlage: etwa die „Reformationssymphonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, deren 4. Satz den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ als Grundlage nimmt.
Im EG (Evangelisches Gesangbuch) finden wir nur einen Bruchteil seines umfangreichen Schaffens: 36 Lieder, welche jedoch zu den am weitesten verbreiteten und bekanntesten zählen, und die auch immer wieder in unseren Gottesdiensten erklingen.
In Deutschland konnte sich seit Luther durch die Kontinuität des evangelischen Glaubens eine Tradition in der Kirchenmusik entwickeln. Etwas, das in Österreich fehlt. Erst nach dem Toleranzpatent 1781 von Kaiser Josef II. entstand in unseren Landen wieder evangelisches Gemeindeleben. Da aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel vielfach geeignete Instrumente fehlten, gab es in Österreich praktisch keinerlei kirchenmusikalische Aktivitäten und erst dem 20. Jahrhundert blieb es vorbehalten, dass einige wenige Komponisten evangelische Kirchenmusik zu Papier brachten; unter ihnen Namen wie Josef Friedrich Doppelbauer oder Johann Nepomuk David.
Kirchenmusik ist Teil der Verkündigung des Wort Gottes und erklingt „allein zur Ehre Gottes (Soli Deo Gloria)„, wie es Johann Sebastian Bach ausdrückte. Das soll auch in Zukunft so bleiben, auch in Bad Vöslau. Im Vöslauer Gotteshaus stehen zur musikalischen Gestaltung eine mechanische Schleifladenorgel der Fa. Walcker (Baujahr 1972, zwei Manuale, Pedal, elf Register) zur Verfügung und in der Kirche in Leobersdorf erfüllt ein einmanualiges Instrument mit angehängtem Pedal, ebenfalls von der Fa. Walcker, aus dem Jahr 1981 seinen Dienst. Sogar in der kleinen Kirche in Teesdorf steht ein kleines Pfeifeninstrument zur Verfügung.
In der evangelischen Pfarrgemeinde Bad Vöslau spielt die Musik in den Gottesdiensten eine nicht unwesentliche Rolle: Der ökumenische(!) Kirchenchor ergänzt das Predigtwort mit seinen Klängen, die Abendmahlsfeiern werden musikalisch gestaltet und es gibt auch Gottesdienste mit besonderen musikalischen Schwerpunkten (z. B. Christmette, Karfreitag, Osternacht, Jugendgottesdienste).
Ein gutes Instrument und eine hervorragende Akustik tragen dazu bei, dass in der Vöslauer Christuskirche mehrmals im Jahr auch Konzerte veranstaltet werden. International bekannte Künstler wie Jürgen Rieger (Stuttgart, Deutschland), Timothy L. Zimmerman (Boston, USA), Erich Türk (Klausenburg, Rumänien), Michael Grube (Quito, Ecuador) oder Thomas Reuter (Wien) sind gerne Gäste in unserer Kirche und erfreuen die Zuhörer mit ihren Darbietungen. Dabei steht nicht nur Orgel-, sondern auch Chor- und Kammermusik auf dem Programm; Musik von der Renaissance bis zur Jetztzeit kommt zum Erklingen. Es wird nicht nur geistliche Musik, sondern auch weltliche Literatur angeboten.
Anlässlich des 250. Todestages von Johann Sebastian Bach wurden im Jahr 2000 erstmals die Bad Vöslauer Kirchenmusiktage ins Leben gerufen; den Ehrenschutz über diese Veranstaltung übernahmen der Bürgermeister der Stadtgemeinde sowie die Pfarrer der evangelischen und der katholischen Kirche Bad Vöslau. Die zahlreichen interessierten Besucher waren Grund genug, diese gemeinsam gestaltete musikalische Reihe fortzusetzen – ein wichtiger Meilenstein zu einer Pflegestätte der Kirchenmusik in unserem Heimatort. Ein zahlreicher Besuch ist der größte Lohn für unsere Bemühungen.
Gerhard Baumgartner